
Corporate Therapy
Noch ein Business Podcast! Juhu! Wer braucht denn sowas?
Corporate Therapy ist ein kritischer Management Podcast – und der Name ist Programm: Wir legen darin „die Corporate” und gelegentlich auch uns selbst auf die sprichwörtliche Couch. Gemeinsam versuchen wir, Probleme und Phänomene rund um Arbeit und Organisation besser zu verstehen und vielleicht ab und an auch eine Lösungsstrategie zu entwickeln – jedoch ohne Garantie auf Genesung!
Wir sind Human Nagafi, Mary-Jane Bolten und Patrick Breitenbach.
Neben den Beiträgen unserer großartigen Gäste aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft freuen wir uns auch sehr über Fragen, Kritik und Anregungen von euch. Dazu könnt ihr uns entweder per Mail oder LinkedIn schreiben oder euch direkt zu einem unserer Live-Podcasts einschalten und mitdiskutieren. Viel Spaß und gute Erholung.
Corporate Therapy
Episode #130 // Wenn Resilienz zur Pflicht wird: Die Psychologisierung struktureller Probleme // mit Dr. Stefanie Graefe
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Erschöpfung scheint heute allgegenwärtig - doch muss das so sein? In dieser tiefgründigen Episode tauchen wir mit Dr. Stefanie Gräfe, Soziologin und Resilienzforscherin an der Universität Jena, in die Widersprüche moderner Arbeitswelten ein.
Der Resilienzdiskurs schwappt regelmäßig durch Unternehmen und Management-Trainings, doch was steckt eigentlich dahinter? Wir beleuchten, wie sich unser Verhältnis zur Arbeit fundamental gewandelt hat - vom funktionalen "Broterwerb" hin zur Selbstverwirklichung mit fließenden Grenzen zwischen Person und Beruf. Diese Entwicklung macht uns gleichzeitig erfüllter und verletzlicher.
Dr. Gräfe enthüllt, wie Emotionsarbeit zur zentralen Anforderung wurde und warum Vertrauensverlust der häufigste Kipppunkt zur vollständigen Erschöpfung ist. Ihre provokante Kernfrage bleibt: "Wenn Resilienz die Antwort ist, was ist eigentlich die Frage?"
Wo man das aber so selbstverständlich, vielleicht so ein bisschen voraussetzt, dass das so ist, dass man bereit ist, sich auch mehr als sozusagen im Rahmen des unbedingt Notwendigen zu engagieren. Und dann haben wir eben lange darüber gesprochen wie kommt das eigentlich? weil jetzt aus unserer soziologischen Perspektive würden wir bei Gene Z sagen, die sind ja in dieses unternehmerische Selbstleistungsnarrativ hinein sozialisiert worden, die müssten es eigentlich total verinnerlicht haben. Das ist aber offensichtlich nicht der Fall. Also, wie ist das eigentlich erklärbar? Und die Antwort war dann na, sie haben es an ihren Eltern erlebt, was das bedeutet, und das wollen sie auf keinen Fall. Also, das machen sie nicht.
Mary-Jane Bolten:Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Corporate Therapy Für alle, die uns heute zum allerersten Mal hören. Wir sind ein kritischer Management-Podcast, in dem wir Organisations und Führungsthemen, trendbegriffe und diverse Paradoxe, auf die Unternehmen treffen, diskutieren. Und heute wollen wir uns zum zweiten Mal einem Thema widmen, das uns alle, glaube ich, irgendwie betrifft. Wollen wir uns zum zweiten Mal einem Thema widmen, das uns alle, glaube ich, irgendwie betrifft, spätestens, wenn wir abends erschöpft auf dem Sofa sitzen und uns denken wie kriege ich jetzt meine Selfcare-Routine hier auch noch unter? Wir sprechen heute über Resilienz. Normalerweise sitze ich hier mit Oman Nagafi und oder Patrick Breitenbach, aber heute geht es ja um ein Spezialthema, und dazu begrüße ich wieder meine kluge Kollegin Sarabia Mastrega. Hallo Sarab, hi Mary, wie erschöpft fühlst du dich heute?
Serap Yilmaz-Dreger:Minus 10, würde ich sagen. Podcasten ist immer das Gegenteil von Erschöpfung für mich.
Mary-Jane Bolten:Sehr gut. Erschöpfung gehört quasi zur Resilienz. Da werden wir heute auf jeden Fall noch drüber sprechen. Wir haben auch kürzlich schon mal eine Folge zur Resilienz aufgenommen mit Jans Labi. Das wird natürlich verlinkt, und da haben wir auch schon gelernt, dass der Resilienzdiskurs so in Wellen immer wieder mal hochschwappt, und jetzt gerade habe ich zumindest das Gefühl, ist das wieder überall. Also kaum irgendwie ein Coaching, kaum ein Leadership-Training, das irgendwie ohne Resilienzmodul auskommt. Aber wir wollen uns heute einmal auch fragen, was passiert, wenn Belastbarkeit zur Pflicht wird, was passiert, wenn quasi so ein positiv geladener Begriff also das ist ja das Interessante an dem Konzept. Also natürlich will ich resilient sein wenn das aber quasi als Programm eingesetzt wird und es dann irgendwie auch so ein bisschen zynisch vielleicht wird, und deswegen schauen wir heute nochmal ganz genau hin, und deswegen schauen wir heute nochmal ganz genau hin, und das machen wir natürlich auch wieder nicht allein, sondern mit unserem heutigen Gast, dr Stefanie Gräfe. Herzlich willkommen, dankeschön. Ich freue mich, hier zu sein, stefanie.
Mary-Jane Bolten:Du bist Soziologin und Resilienzforscherin an der Universität Jena, und du beschäftigst dich mit dem Spannungsverhältnis von individueller Gesundheit und gesellschaftlichen Strukturen, konkret natürlich auch im Arbeitskontext, und für uns war tatsächlich deine Arbeit so ein Augenöffner und auch so ein Push, uns selbst mit dem Thema zu beschäftigen, mehr, weil du fragst ja auch nicht nur, wie halten wir das jetzt hier alles durch, sondern auch, warum müssen wir das eigentlich gerade alles aushalten? Stichwort Krisenkapitalismus. Es gibt ja auch Gründe, warum jetzt gerade wieder so viel über Resilienz gesprochen wird, oder in den letzten Jahren Und du hast dazu zwei Bücher geschrieben, in denen Resilienz, ich sag mal, explizit im Titel vorkommt. Das eine war 2019 Resilienz im Krisenkapitalismus, erschienen bei Transcript, und das andere ist 2021 bei Ökom erschienen, gemeinsam mit Carina Becker mit Resilienz durch die Krise Anmerkungen zu einem gefragten Konzept.
Mary-Jane Bolten:Aber auch deine anderen Publikationen beleuchten damit so zusammenhängende Aspekte, also Erschöpfung oder Autonomie, und auch über die werden wir heute hoffentlich noch ein bisschen sprechen. Wie bist du denn zu diesem Thema gekommen, dich damit wissenschaftlich zu beschäftigen, und hat sich deine Perspektive durch deine Forschung verändert auf dieses Thema Gesundheit und Arbeit?
Dr. Stefanie Graefe:Ja, die erste Frage finde ich leichter zu beantworten als die zweite. Deswegen fange ich mal mit der ersten an. Also, ich habe mich mit dem Thema Erschöpfung durch Arbeit schon lange beschäftigt. Das liegt jetzt schon fast schon mehr als 15 Jahre zurück, dass ich damit angefangen habe. Das hatte durchaus auch den Grund, dass ich selber da in der Phase war, häufig von Erschöpfungserfahrungen oder Symptomen heimgesucht zu werden, und eben doch deutlich den Eindruck hatte, dass das zusammenhängt mit meinen Lebens und Arbeitsbedingungen, vor allen Dingen mit der Unsicherheit auch im wissenschaftlichen Feld Das ist ja so ein also ist, glaube ich, inzwischen auch so ein bisschen bekannter geworden no-transcript, die aber mit der Realität eben nichts zu tun haben, und das bedeutet eben ein hohes Risiko, auch je älter man wird, aus dem System ausgeschmissen zu werden und dann tatsächlich keine Alternative zu haben, weil man eben dann für den Arbeitsmarkt überqualifiziert ist in Anführungsstrichen ja und für die Wissenschaft und so weiter. Also, das war so ein bisschen auch der Hintergrund, zusammen noch mit gesundheitlichen Problemen, die ich tatsächlich hatte. Und dann habe ich mich eben gefragt wie hängt das eigentlich zusammen? Was gibt es da eigentlich Erschöpfung durch Arbeit? Ich war zugleich in der Zeit auch reiberuflich unterwegs und habe politische Bildungsarbeit, gewerkschaftspolitische Bildungsarbeit, aber eben auch Seminare gemacht mit Betriebs und Personalräten, und da tauchte das halt immer mehr auf, auch dieses Thema Erschöpfung, da noch so sehr unter der Überschrift Burnout war dann auch so ein Begriff. Den gibt es ja noch gar nicht so lange in der allgemeinen Diskussion sozusagen. Das ist ja auch erst so um die Zeit in Deutschland auch so angekommen, und das tauchte da eben auch in diesen Seminaren, die ich gemacht habe mit Betriebs und Personalrechten, tauchte das eben häufig auf, dass sie dann so sagten sie haben das Gefühl, sie nehmen das wahr bei KollegInnen, trauen sich aber nicht, das anzusprechen, weil das eben auch sehr, sehr tabuisiert ist. Und zugleich fing dann das Thema aber auf so einer Ebene von Populärwissenschaft an, total. Also ich hatte dann irgendwann das Gefühl, praktisch jedem zweiten Spiegeltitel das ist jetzt etwas übertrieben, aber steht dann irgendwie Deutschland ein Volk der Erschöpften oder was weiß ich, und eben diese Ratgeber auch zunehmend in den Bahnhofsbuchhandlungen immer mehr dazu zu lesen ist.
Dr. Stefanie Graefe:Und das fand ich interessant, dass ich gedacht habe, da, wo es jetzt, wo das Problem offenbar sitzt also es hat irgendwas mit Arbeit auch zu tun da wird es als Tabu beschriebenrieben, und in der Öffentlichkeit ist es aber schon irgendwie total populär. Was ist denn das eigentlich? Und ich habe selber ein Issue damit. Und dann habe ich eben angefangen, mich damit zu beschäftigen und zu lesen, auch diese Ratgeber mir anzugucken, weil es so bestimmte Richtungen, sage ich mal, in der Soziologie, gesellschaftswissenschaft gibt, die eben sagen, wir können über den Zustand der aktuellen Gesellschaft viel lernen, wenn wir uns eben genau diese Self-Help-Literatur angucken, weil die ja im Grunde was darüber sagt, womit sich die meisten Menschen beschäftigen oder was sie interessiert, oder wo sie Sorgen haben, wo sie Probleme haben.
Dr. Stefanie Graefe:Und dann habe ich eben auch diese Literatur eben auch gelesen, also sowohl als Soziologin als auch als Privatperson, und ich dachte ja, wer weiß, vielleicht kann ich ja für mich da auch ein bisschen was rausziehen no-transcript Krisen und die sogar noch zu nutzen, die Krise, um gestärkt daraus hervorzugehen.
Dr. Stefanie Graefe:Und dann hatte ich den Eindruck, das ist tatsächlich so etwas wie so ein Skript der wünschenswerten Persönlichkeit für unsere Gesellschaft.
Dr. Stefanie Graefe:Also eben nicht mehr das, was man vielleicht vorher genannt hat oder was auch so beschrieben worden ist, das unternehmerische Selbst, was also sozusagen nur die Ellbogen ausfährt, nur auf die eigene Leistung zielt, nur die Konkurrenz ausstechen will und viel Geld verdienen will, sondern hier kommt noch ein anderes Element hinzu, nämlich einmal diese Krisenfestigkeit, also die Anerkennung, dass es schwierige Umstände gibt, und zugleich wird diese resiliente Persönlichkeit als eine beschrieben, die eben auch mit ihren Gefühlen umzugehen weiß, also man könnte.
Dr. Stefanie Graefe:Ich hatte so ein bisschen den Eindruck, das unternehmerische Selbst wird so ein bisschen feminisiert, also es ist eben nicht mehr der eher maskuline Typus des Leistungsträgers, sondern das ist eine Person, die eben auch kommunikativ ist, die emotional intelligent ist Das spielt eben eine wichtige Rolle die ihre eigenen Gefühle deuten kann, vielleicht aber auch die von anderen, die in der Lage ist, konstruktive Kommunikation zu führen und für alles eine Lösung zu finden.
Dr. Stefanie Graefe:Und dann habe ich eben gedacht, das ist ja interessant, und dann mich parallel so ein bisschen mit dem Thema Erschöpfung durch Arbeit was ist eigentlich Erschöpfung, was hat das mit Arbeit zu tun beschäftigt und eben, was ist eigentlich Resilienz?
Dr. Stefanie Graefe:Und dann bin ich eben darauf gestoßen, so nach und nach, dass das ein Konzept ist, was viel größer ist, eigentlich noch als jetzt eben in diesem konkreten, sagen wir mal sozialpsychologischen oder arbeitspsychologischen Feld eine Rolle spielt, sondern eben bis hin zu internationaler Politik in der Ökologie Ein ganz wichtiges Konzept ist natürlich Infrastrukturpolitik und so weiter Und dass es dazu eben auch schon in vor allen Dingen angelsächsischen Raum seit Jahren zu dieser sagen wir mal politischen Dimension des Resilienzkonzeptes eine Debatte und auch eine sehr kritische Debatte gibt. Das fand ich dann total spannend, und dann blieb ich da irgendwie hängen, ja, und ich habe dann da so weiter irgendwie mitgemacht, neben natürlich verschiedenen anderen Themen, die ich noch bearbeitet habe, und irgendwann sind dann diese beiden Bücher dabei rausgekommen. Genau so war so mein Weg dahin. Und die zweite Frage war ja jetzt, ob sich meine Sicht darauf geändert hat, oder wie war das nochmal?
Mary-Jane Bolten:Genau, oder ob sich bei dir irgendwas verändert hat mit dem Blick auf Gesundheit und Arbeit, seit du dich damit beschäftigst.
Dr. Stefanie Graefe:Also jetzt, für mich persönlich hat sich dadurch natürlich verändert. Erstmal ist das, wenn man sich damit beschäftigt, so eine Sensibilisierung dafür, wie eng diese beiden Felder sozusagen zusammenhängen, und eben dieser große Begriff Stress, was das eigentlich so ist und was das bedeutet. Mit dem Stress geht es mir so ein bisschen ähnlich wie mit der Resilienz, nochmal auf einer etwas anderen Ebene. Das ist so etwas ganz Faszinierendes und auch etwas sehr Wichtiges, und zugleich entgleitet das einem immer wieder so ein bisschen. Also, es gibt, glaube ich, beim Stress sowohl die Gefahr der Unterschätzung der Bedeutung gerade in so einem medizinischen Kontext, aber es gibt auch eine Gefahr der Überschätzung, und man weiß inzwischen die Stressforschung hat sich ja unglaublich entwickelt, auch in den letzten Jahren auf wie vielen Ebenen. Also vor allen Dingen chronischer Stress, darum geht es immer. Es geht nicht um einzelne Stressereignisse, die dann schnell wieder vorbei sind, aber das eben chronischer Stress und das ist eben das, was ja im Feld der Arbeit stattfindet oder relevant wird, also in wie vielen Ebenen der eben Auswirkungen auf unsere Gesundheit hat und eben auch langfristig Auswirkungen auf die Gesundheit hat, dafür bin ich auf jeden Fall total sensibilisiert worden. Auf der anderen Seite bin ich aber auch dafür sensibilisiert worden, dass wir eben einen Stressdiskurs haben und eine Tendenz, die manchmal beschrieben wird als Psychologisierung gesellschaftlicher Verhältnisse. Also das ist sozusagen eine zunehmende Tendenz gibt, jetzt ganz unabhängig von dem Resilienzdiskurs zu sagen, alle möglichen Probleme, die auftauchen, die Menschen haben, lassen sich letztlich auf psychologische Probleme und Fragestellungen und damit auch Lösungsansätze zurückführen. Und das wiederum fand ich dann durchaus auch erlebbar, auch an mir selbst, aber auch an anderen, so in meiner Privatemperie, dass ich das Gefühl hatte, das schwappt dann wiederum über auch in so einem medizinischen Umgang mit dieser Erkenntnis, dass Stress so bedeutsam ist, dass es teilweise sehr schwer ist, beim Hausarzt eine ganz normale Untersuchung von irgendwelchen Parametern durchzusetzen, weil man immer erst mal erklären muss, dass man also begründen muss und Belege anführen muss, dass das nicht einfach eine Stressreaktion ist, die man hat.
Dr. Stefanie Graefe:Und das hat mich so ein bisschen, das fasziniert mich bis heute, dass ich denke, mit dieser zunehmenden Erkenntnis geht aber auch einher so eine Vereinfachung oder Entproblematisierung von Zusammenhängen.
Dr. Stefanie Graefe:Und das deutlichste Beispiel dafür ist jetzt für mich gewesen in letzter Zeit nochmal diese Long-Covid. Also wodurch jetzt man sich bewusster geworden ist letztlich durch die Corona-Pandemie und die Folgen, dass es tatsächlich Krankheiten gibt, die rein physiologischer Natur sind, die eben auf eine Virusinfektion zurückgehen, die sich aber nach außen darstellen wie eben eine psychische Erschöpfung Und also Menschen, die eben vor Corona, da gab es das ja auch schon, aber das war dann eben nicht Corona verursacht, sondern durch andere Viren dieses ME-CFS hatten, also dieses chronische Erschöpfungs-Fatig-Syndrom, dass die eben über Jahre damit konfrontiert wurden, dass ihnen immer unterstellt wurde, es wäre eben eine Stressreaktion, und sie müssten ihr Stressmanagement verbessern, und wie lange das jetzt eigentlich nur durch Corona möglich war, dass es so eine Anerkenntnis gibt, das ist es gar nicht, das hat damit überhaupt nichts zu tun. Also dieses ganze Gebilde, das, das hat sich, glaube ich, für mich verändert und natürlich jetzt auch so eine Wahrnehmung, eben die Arbeitsbedingungen direkt auf unser Wohlbefinden einwirken, was jetzt keine sonderlich revolutionäre Erkenntnis ist, glaube ich.
Serap Yilmaz-Dreger:Aber das ist mir natürlich noch mal deutlicher so vor Augen getreten. Du hast es ja eben schon angesprochen, auch in dem ersten Teil deiner Antwort, und ich finde, dieses Beispiel mit Long Covid ist super präzise, um auf dieses Thema bisschen das Gefühl, dass das auch einen Effekt für den Arbeitsalltag haben kann von Individuen, von Menschen, die wie wir halt einfach jeden Tag zur Arbeit gehen, wenn genau das zu einer Anforderung wird, und was bedeutet das dann auch für die Themen Erschöpfung, stress, gesundheit am Arbeitsplatz, wie würdest du das einordnen, diesen Shift?
Patrick Breitenbach:Hey Patrick, hier Patrick Breitenbach von 1789 Consulting. Sorry, dass ich diesen Podcast hier unterbreche, aber ich wollte nur sagen, wenn du diesen Podcast wirklich, wirklich liebst, dann wirst du ganz sicher auf Spotify oder Apple Podcast eine Fünf-Sterne-Bewertung hinterlassen und das Ganze noch mit einem positiven Kommentar garnieren. Und wenn du dich dafür interessierst, was wir als Unternehmensberatung so machen, dann schau doch mal auf unserer Website vorbei, www.1789consultingde. oder spreche uns direkt bei LinkedIn an. Wir freuen uns, und jetzt geht's weiter mit den Erkenntnissen. Viel Spaß.
Dr. Stefanie Graefe:Ja, ich würde erst mal sagen, das ist tatsächlich ein großer Shift, der stattgefunden hat, der was mit unserem Verständnis davon, was Arbeit überhaupt ist, zu tun hat. Und wenn man das in so einem größeren historischen Bogen sich anguckt, dann könnte man sagen also ich kann mich daran auch noch erinnern aus meiner eigenen Familie. Ich komme aus einer klassisch fordistischen Familie mit Hausfrau und Alleinernehmer, Und mein Vater war eben Angestellter. Der hatte natürlich auch Stress, also der hat auch viel gearbeitet und so weiter. Aber diese Idee, dass er sozusagen an sich selbst arbeiten müsste, um diesen Stress besser zu bewältigen, die hatte der definitiv nicht. Da gab es dann andere Lösungskonzepte, was jetzt vielleicht auch nicht immer gut ist Das kann dann Alkohol sein oder was auch immer, oder exzessives Fernsehen gucken oder sonst irgendwas, aber es gab nicht diese Idee. Er ist verantwortlich dafür, seinen Stress zu bewältigen, sich gut zu fühlen und damit seine Produktivität zu steigern.
Dr. Stefanie Graefe:No-transcript Arbeit ist man eben eigentlich ein Funktionsträger. Und ja, es gibt auch diesen Spruch man gibt die Persönlichkeit morgens an der Garderobe ab, wenn man in die Fabrik geht, verrichtet seine Arbeit, sammelt sie dann nachmittags wieder ein und geht nach Hause. Und diese Idee hat sich komplett gewandelt in den letzten 30 Jahren, und jetzt gibt es eben so die Vorstellung, was auch ein Wunsch der meisten Menschen ist. Also da würde ich mich auch wiederum total einschließen, dass Arbeit eben mehr sein muss als jetzt so eine reine Funktionserfüllung, für die man dann das Geld kriegt, das man zum Leben braucht, und das war es dann, und im Leben oder schön ist, in die Freizeit zu verlagern. Also das ist ein Konzept, was, glaube ich, die allermeisten Menschen tatsächlich nicht mehr haben.
Dr. Stefanie Graefe:Da gibt es auch Untersuchungen zu, und das Interessante ist, dass das selbst für Arbeitsbereiche zutrifft, wo man das jetzt vielleicht nicht unbedingt erwarten würde, zum Beispiel Reinigung oder eben sogenannte niedrig qualifizierte Dienstleistungsarbeit, also dass selbst da Menschen die Hoffnung oder die Erwartung oder vielleicht auch den Anspruch haben, dass ihre Arbeit mehr ist als bloß jetzt ein Brotschock. Und zugleich haben wir eben eine Veränderung, dass genau dieser Zusammenhang eben dann auch auf der Managementseite gezielt angereizt wird, weil man eben festgestellt hat, die Leute sind natürlich auch produktiver am Ende, sind natürlich auch produktiver am Ende, wenn sie sich selber mit der Arbeit identifizieren, wenn sie sich mit den Arbeitszielen identifizieren, wenn sie das als Teil ihrer persönlichen Vorstellung vom guten Leben, sogar als Teil ihrer Persönlichkeit begreifen. Dann fallen manche Probleme, die man sonst hat in Arbeitsverhältnissen jetzt als Arbeitgeber Wie kriegt man die Leute dazu, dass sie Leistungen bringen, die wir haben wollen, und dass sie die auch möglichst steigern, kontinuierlich, und die man in diesem alten System eher über so komplizierte Hierarchie-Modelle oder eben Kontrollsysteme versucht hat zu erreichen. Es schafft, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, und einen allgemeinen gesellschaftlichen Diskurs hat, der sagt, arbeit ist eben Teil deiner Persönlichkeit, und du solltest genau die Arbeit machen, die auch dir als Persönlichkeit entspricht. Also da hat sich unglaublich viel geändert, und wie meistens ist das eben eine ambivalente Entwicklung. Also da ist sehr viel positiv dran, natürlich. Also ich glaube, niemand von uns ich würde annehmen, bei euch ist das genauso Ich würde gerne jetzt in einem ganz durchgetakteten Arbeitsalltag arbeiten wollen, wo man ständig jemanden vor der Nase sitzen hat, der einem sagt, was man jetzt darf und was man nicht darf.
Dr. Stefanie Graefe:Auf der anderen Seite geht natürlich damit auch eine gewisse Gefahr einher, weil man sich eben stärker identifiziert, auch stärker verantwortlich gemacht wird, auch für Erfolg oder Misserfolg, und das viel stärker auf die eigene Person und Persönlichkeit zurückrechnet und eben nicht mehr so einfach sagen kann ja, also mein Chef ist halt schwierig, und der kriegt es nicht hin, aber ich kann nichts dafür, und ich mache jetzt Dienst nach Vorschrift, und den Rest lasse ich an mir abperlen. Also ich würde sagen, das gibt es natürlich auch immer noch. Aber das ist viel, viel schwieriger geworden und überhaupt nicht mehr das normale Verhältnis, was Menschen zur Arbeit haben, und dadurch sind sie letztlich auch verletzlicher geworden natürlich gegenüber Arbeitsanforderungen. Und wir haben dann eben diese Managementformen und Systeme, die sich eher auch geändert haben, also indirekte Steuerung, zielvereinbarung, output-orientierte Steuerung und so weiter. Das sind alles Maßnahmen, die eben genau darauf abzielen, sozusagen diese eigene intrinsische Motivation oder ja, ob sie wirklich intrinsisch ist, wäre jetzt die Frage aber auf jeden Fall diese Selbstaktivierung sozusagen der Menschen zu stärken und dadurch eben auf der anderen Seite Kontrollmechanismen so ein bisschen zurückfahren zu können.
Mary-Jane Bolten:Das ist immer das Schöne an der Soziologie, weil man da so schön auf die Metaebene gehen kann und das Ganze einmal so als Gesamte.
Dr. Stefanie Graefe:Ja, das ist so ein bisschen die Tendenz. ja, Das finde ich sehr schön.
Mary-Jane Bolten:Also, ich finde, du beschreibst was, was wir merken in unserer Beratungsarbeit, womit sich Unternehmen immer noch schwer tun. Ich meine, das ist ja jetzt keine Veränderung, die jetzt irgendwie seit drei Jahren passiert ist und so hoch ist noch ganz neu, sondern das ist ja über die letzten Jahrzehnte gibt es einfach eine Veränderung. Jetzt, vereinfacht gesagt, von diesem Fordistischen, was du vorher genannt hast, man könnte es auch eher so transaktional beschreiben. Ich gebe hier meine Arbeitskraft, dafür kriege ich Geld, und so okay, ist jetzt hier geregelt, und es kann natürlich ein anstrengender Job sein, aber es gibt ja auch immer nochmal einen Unterschied zwischen etwas ist anstrengend und etwas erschöpft. Also das sind ja zwei irgendwie unterschiedliche Dinge. Ja, das stimmt. Und dann der Weg hin zu diesem, was du auch gesagt hast wir wollen uns selbst verwirklichen bei der Arbeit. Also das würde ich 100 Prozent unterschreiben.
Mary-Jane Bolten:Selbst verwirklichen bei der Arbeit, also das würde ich 100 Prozent unterschreiben. Wir haben ja immer wieder diese Purpose-Debatten auch, und dass es irgendwie wichtig ist für Leute, wo sie arbeiten, und dass sie sich damit identifizieren können, heißt also, man möchte irgendwie als Arbeitgeber, dass die Mot kompletten Entwicklung, also auch so Personal Growth und alle diese Sachen. Und das passt aber natürlich nie 100 Prozent aufeinander, weil immer noch gibt es ja die Koordination, die da drin stattfindet, und wie du jetzt gerade auch gesagt hast, es gibt wahnsinnig viel Unklarheit über was sind hier jetzt eigentlich gute Steuerungsmechanismen? Also wie mache ich ein gutes Performance und Compensation-Modell, wenn ich gar nicht genau messen kann, wie viel Zeit oder wie viel Stück und so weiter. Also, in Wissensarbeit ist das super schwer, aber wir merken das auch.
Mary-Jane Bolten:Den Diskurs gibt es genauso in der Industrie mit Produktion, und ich glaube, da besteht einfach gerade sehr viel Unklarheit zu. Wie sieht eigentlich so eine Standardorganisation aus? wie macht sie das eigentlich gut? weil natürlich die Werkzeuge irgendwie noch total hinterherhängen. Oder man sagt einfach okay, das ist jetzt die neue Welt.
Mary-Jane Bolten:Wir haben das mit dem ganzen agilen Diskurs. Wir setzen jetzt zum Beispiel mehr auf Selbstorganisation, wo ihr selbst entscheiden könnt, mehr auf auch Interaktionsformate, also Gruppen oder Teams entscheiden zusammen. Und auch das finde ich irgendwie total interessant, also vor dem Hintergrund von dem, was du erzählt hast, weil wir gerade ganz häufig merken wir haben das jetzt mal intern Agilitätsmüdigkeit genannt Oh, interessant Ja, dass Leute, also viele, ich würde sagen grob jetzt vor Corona das stimmt natürlich nicht ganz, aber war, wir müssen agil, wir müssen agil, wir müssen agil, und alle Leute waren so können wir endlich bitte agil werden, weil das ist so anstrengend hier mit diesen ganzen Entscheidungen, und wer hier und da muss noch der mit einbezogen werden, und immer muss der Chef das unterschreiben. Und so Hin zu jetzt. Viele, viele Organisationen arbeiten in sogenannten agilen Teams, und ganz häufig sind die Leute so okay, aber wer entscheidet jetzt? Wer darf das jetzt machen?
Mary-Jane Bolten:Und dass da auch so eine ja, vielleicht ist Erschöpfung wirklich das richtige Wort, also es ist ja nicht so dass man sagt, ich will jetzt unbedingt wieder in dieses Korsett rein, aber so eine Unklarheit einfach darüber besteht und alle das irgendwie so navigieren müssen. Und ich glaube, da hat die Organisation als abstraktes Gebilde noch keine perfekte Antwort drauf oder noch keine, noch nicht mal gangbare Antwort drauf vielleicht.
Dr. Stefanie Graefe:Das ist total spannend, weil ich mich auch ein bisschen mit dem Konzept der Agilität beschäftigt habe, aber eben wieder auf meiner Ebene, also eher so abstrakt, und deswegen höre ich immer total begeistert zu, wenn so Dinge aus der auch betrieblich-unternehmerischen Praxis erzählt werden, und ich hatte einfach nur jetzt von der Lektüre auch den Eindruck, könnte das sein, dass das jetzt gerade so an so einer Schwelle istilität genannt, aber am Ende geht es eben einfach um Effizienzsteigerung, und die Takte zwischen den einzelnen Sprints und wie auch immer sie heißen, sind eben so knapp bemessen, dass von dem, was eigentlich versprochen wird, also die größere Flexibilität, die flachere Hierarchien, die demokratischeren Entscheidungsstrukturen, dass das eben in der Praxis gar nicht umsetzbar ist, weil dafür gar keine Zeit ist, oder sich das verliert eben in diesem Zeitdruck.
Dr. Stefanie Graefe:Und Zeitdruck ist natürlich ein ganz, ja, ich würde vielleicht fast sagen, der entscheidende Faktor jetzt für eine Erschöpfung im Zusammenhang mit Arbeit. Und ich hätte generell so den Eindruck, dass viele von diesen neu also so neu sind sie ja jetzt auch nicht mehr, aber in der ganz großen Linie sind sie halt im Verhältnis zum Fordismus neu, neueren Deuerungsmaßnahmen am Ende eben also zum einen die Problematik haben, die du gerade beschrieben hast, dass dann häufig vielleicht unklar ist, was das jetzt eigentlich genau bedeutet und wie Ansprüche und Erwartungen zusammenkommen oder eben auch aneinander vorbeilaufen. Das aber eine andere Problematik auch ist, dass sie etwas versprechen an Autonomie und eben Identifizierung oder nennen wir es Selbstverwirklichungsmöglichkeiten, was dann in der Realität gar nicht gegeben ist, sondern die Autonomie schnurrt sich dann eben auf bestimmte Aspekte der Selbstorganisation zusammen. Also, ich kann bestimmen, innerhalb eines bestimmten Rahmens, ob ich jetzt erst dies oder erst das mache. Aber wenn die Ziele so definiert sind, dass eigentlich klar ist, ich muss die ganze Zeit richtig reinknüppeln, um sie überhaupt verwirklichen zu können, ist das zwar schön, dass ich zumindest entscheiden kann, in welcher Reihenfolge ich was mache oder vielleicht sogar an welchem Arbeitsplatz, ob im Homeoffice oder im Büro und so weiter, also eher diese, sagen wir mal, organisational-formalen Teilrahmenbedingungen mitbestimmen kann. Aber wenn ich die Ziele selbst nicht mitbestimmen kann und auch deren Menge vor allen Dingen nicht beeinflussen kann, dann nutzt mir das am Ende relativ wenig. Und dann gibt es eben das Problem, was dann auch hinzukommt, dass aber ja der Anspruch ist oder das Versprechen ist, nein, nein, also du sollst dich ja hier an der Arbeit verwirklichen, und man stellt dann fest, es funktioniert aber nicht. Und dann vor dem Hintergrund dieses, auch dieser Tendenz zur Psychologisierung, die wir jetzt nicht nur in der Arbeitswelt haben, sondern gesellschaftlich. Insgesamt ist dann der Bogen der, dass ich sage, da muss ich jetzt ja irgendwie dran schuld sein, also ich mache jetzt irgendwas falsch, dass ich das nicht hinkriege.
Dr. Stefanie Graefe:Und mein Kollege Wolfgang Menz aus Hamburg, der hatte mal vor Jahren auf einer Tagung das Beispiel ist so schlag, dass ich das gerne immer wieder zitiere aus einer Untersuchung zitiert, wo sie eine Studie gemacht haben in einem großen Unternehmen, die sich dieses Problems sogar so bewusst waren, dass sie Zeiterfassung wieder eingeführt haben. Also, die Beschäftigten mussten sich eben morgens und abends ausstempeln, und wenn jemand eben chronisch drüber lag also das ging darum, eben nicht die Minderzeit zu erfassen, sondern die Überstunden dann gab es eben Personalgespräche und wurde man eben aufgeklärt, dass das nicht sein soll und so weiter. Und gleichzeitig haben die aber die Ziele, die Projektziele so eng ausgegeben, dass eben klar war, das ist überhaupt nicht zu schaffen in der vorgegebenen Arbeitszeit, das geht gar nicht. Und was haben die Leute gemacht? Die sind dann abends rausgegangen, haben sich ausgestempelt und sind dann übers Fenster wieder reingek Und haben weitergearbeitet.
Dr. Stefanie Graefe:Und ich finde, das ist einfach ein ziemlich gutes, also sehr plastisches Beispiel dafür, was eben diese sogenannte indirekte Steuerung oder eben so flexibilisierte Managementformen, was die bewirken können. Also ich werde in eine Situation gebracht, wo ich mir sozusagen Tricks ausdenken muss, um überhaupt die Arbeit noch bewältigen zu können. Und dieser Widerspruch ist, glaube ich, ist jetzt auch nicht gesundheitsförderlich, also vor allem, wenn es lange andauert. Das ist immer der Punkt. Ist das mal eine Ausnahmesituation, die ausgeglichen wird, ist es, glaube ich, kein Problem. Aber wenn das ein Dauerzustand ist, dann wird es eben auch tatsächlich zu einem gesundheitlichen Problem.
Mary-Jane Bolten:Und zeigt aber ja auch, dass, wenn man die Maßnahmen wieder nicht löst?
Dr. Stefanie Graefe:Nee, wahrscheinlich nicht. Also, was es dann eben in dem konkreten Fall lösen würde, wäre einfach, dass man die Ziele anders definiert. Und ich habe mal ein Interview gemacht mit jemandem aus der Chemieindustrie, wo eben auch Teamung, dass klar war, wenn jemand ausfällt, dann schaffen die anderen das nicht mehr. Und das hat zum einen dazu geführt, dass man sich natürlich dreimal überlegt wenn man krank ist, kann ich das jetzt machen? Man hat ja die Leute ganz konkret vor Augen, man hat ja Beziehungen, mit denen, ist vielleicht sogar befreundet, also weiß genau, wer das jetzt ausbadet. Und zum anderen hat das natürlich dazu geführt, dass man freiwillig sozusagen auch immer mehr gearbeitet hat, weil man ja eben das Team nicht reinreißen wollte. Also, was ich sagen will, ist, diese Maßnahmen, was da, also wie die dann jeweils konkret definiert werden, und ich glaube, dass das eben sehr, sehr relevant ist für dieses Thema Erschöpfung.
Serap Yilmaz-Dreger:Ich finde das gerade so spannend, wie du das Thema Autonomie nochmal reingebracht hast, und das hat in meinem Kopf nochmal das Thema emotionale Intelligenz oder es wird ja auch Emotionsmanagement genannt. Also da haben wir wieder die Ökonomisierung des Sozialen, dass da das Wort Management hintergeklebt wird hinter etwas, was unfassbar menschlich ist, an der Stelle, und diese Autonomie also. Wir kennen das ja aus der Organisationssoziologie, dass eine Organisation in sich autonom dargestellt wird und diese Idee der Autonomie auf das Individuum, also die Mitarbeitenden, die Vorgesetzten, runtergebrochen wird, individuum, also die Mitarbeitenden, die Vorgesetzten, runtergebrochen wird, und diese vermeintliche Autonomie, die ja die Freiheit dann darin hat, wie Mary das gesagt hat gestaltet, daschreiben von Projekten als nicht erfüllbar erweisen, finde ich, das Thema Emotionsmanagement wieder ganz doll nach vorne rückt beim Individuum. Das ist dann wieder das Gefühl, dass okay, ich muss lernen, meine Gefühle zu managen, damit dieses Projekt gut läuft, und dann sind wir wieder so sehr in uns gekapselt und beschäftigen uns mit uns selbst, dass das finde ich wieder eigentlich fast wie so eine Care-Arbeit, care-komponente ist, die on top kommt zu der Arbeit, die wir leisten, und ich habe auch du hast es ja eben beschrieben als vielleicht Feminisierung oder eine Idee von, was ist weiblicher, dass das natürlich auch Menschen, die so sozialisiert sind, eher trifft, zu sagen, ich muss mich damit beschäftigen.
Serap Yilmaz-Dreger:Also ich glaube, dass das sozusagen auch nochmal sehr starke Auswirkungen haben kann, je nachdem, wie die Rolle im Unternehmen ist, welche Aufgaben man hat, wofür man zuständig ist, dass es oft die trifft, die eh schon von Unsicherheiten zum Beispiel getroffen sind. Also Menschen zu sagen sei flexibel, die in Unsicherheit sind, ist, glaube ich, zum Beispiel die größte ich sage es jetzt mal Ohrfeige, die man einer Person in dem Moment vielleicht sogar geben kann, und ich habe auch das Gefühl, dass das zu noch mehr Erschöpfung führt, weil das so kleine Bausteine sind, die on top kommen zu dieser vermeintlichen Idee von Freiheit selbstorganisierte Teams, ressourcenorientiertes Arbeiten, was halt alles so an sich erstmal sehr positiv klingt und was wir uns ja auch irgendwie wünschen. Intern Also, wie Mary gesagt hat, so ganz zu dem anderen zurück wollen wir aber auch nicht. Und in deinem Buch hast du ja auch eine Kapitelüberschrift, die heißt wenn Resilienz die Antwort ist, was ist eigentlich die Frage? Und ich fand diesen Titel so gut, weil ich mich dann schon gefragt habe wo kommt dann jetzt Resilienz eigentlich als Antwort her? Warum bedienen wir uns diesem Konzept an dieser Stelle?
Dr. Stefanie Graefe:Ja genau, ich fand jetzt die Beschreibung oder Formulierung toll. Also flexibel zu sein unter unsicheren Bedingungen, das ist eigentlich eine toxische Kombination, könnte man sagen, und das würde ich sagen, das trifft es sehr, sehr gut. Und Unsicherheit wiederum. Ich kann auch unsicher sein, selbst wenn ich jetzt unbefristet beschäftigt bin, auch vielleicht über Anerkennung, oder unsicher sein, ob ich eigentlich das Richtige tue, und habe keine Möglichkeit, das irgendwie zu klären und mich auszutauschen, unsicher, welche Stellung ich im Team habe und so weiter. Aber da gibt es ja verschiedene Möglichkeiten. Ich würde jetzt aus meiner Sicht immer sagen, dass mit diesen Rahmenbedingungen ist da nochmal so besonders zentral Also eine wirkliche Beschäftigungsunsicherheit oder eben auch eine monetäre Unsicherheit. Also ich muss flexibel arbeiten, aber ich weiß, das Geld reicht einfach nicht, um meine Miete zu bezahlen. Das ist natürlich extrem belastend und letztlich ja dann auch auf der Ebene von Teams oder Abteilungen gar nicht adressierbar. Das können die ja gar nicht. Das betrifft ja die Rahmenbedingungen tatsächlich, und das wäre zum Beispiel schon mal ein Punkt, dass ich sagen würde und da würde ich mit Emotionsmanagement und Resilienz eigentlich sehr eng zusammendenken Also man könnte sagen, resilienz als Ideal basiert eben auf der Fähigkeit Und das ist das, was in Resilienztrainings auch vermittelt wird Emotionen zu managen. Also das ist zumindest ein sehr, sehr zentraler Punkt, also Dinge, die ich vielleicht spontan und unvoreingenommen als negativ und stressig erfahren würde, umzudeuten in Herausforderungen und Wachstumsgelegenheiten, und das ist letztlich Emotionsmanagement. Aber die Anforderungen an Emotionsmanagement im Arbeitsalltag gehen natürlich darüber hinaus. Also, es geht darum, meine eigenen Emotionen zu managen, aber es geht auch darum, emotionen, die in der Interaktion entstehen, zu managen, sie deuten zu können und dann angemessen und korrekt damit umzugehen, und in Führungsverhältnissen ist das natürlich auch total zentral. Und das wiederum hat aber auch was damit zu tun, dass sich eben auch Arbeit verändert hat Und ja jetzt eben sehr, sehr viele Menschen in Bereichen arbeiten, wo eben das Arbeitsprodukt auch selbst eben sehr viel mehr mit Emotionen zu tun hat oder mit abstrakteren Kategorien wie Wissen oder Symbolen, als das eben in älteren Zeiten der Fall war, wo man eben Industrieprodukte hergestellt hat, und am Ende war das fertig, und dann konnte man das sehen.
Dr. Stefanie Graefe:Das Arbeitsergebnis Das gibt es natürlich heute auch immer noch ist auch immer noch sehr wichtig. Aber wir haben insgesamt sozusagen so ein Shift hin in so eine Dienstleistungsgesellschaft, und in der werden eben Emotionen, kommunikation selbst eigentlich zu produktiven Ressourcen, und das würde ich eben auch sagen. Das ist ein wirklich historischer Shift, der ungeheuerlich ist, also dass das nicht nur etwas ist, was wir natürlich immer bei uns haben, was immer irgendwie eine Rolle spielt. Also auch jemand, der am Fließband arbeitet und den ganzen Tag dieselbe Handbewegung macht, hat ja Emotionen. Aber die müssen für den Arbeitsprozess selber ausgeschaltet werden weitgehend, und die dürfen da nicht stören zum Arbeitsgegenstand machen müssen oder eben auch direkt als Ressource einsetzen. Und das ist nachweislich auch so, dass das die Belastung erhöht oder die Belastbarkeit erhöht, und wenn es da hakt oder knirscht, dass das eben das Risiko, dass man eben tatsächlich jetzt auch Folgeerkrankungen oder so ausbildet oder nach sich zieht, dass das eben dadurch eindeutig erhöht wird.
Dr. Stefanie Graefe:Also, emotionsarbeit ist eine riskante Form der Arbeit, wenn man so will. Was die psychische Gesundheit angeht. Da kommt ja auch übrigens der Begriff des Burnout her. Das ist ja auch ganz interessant. Der kommt ja aus dem Feld der sozialen Arbeit und der Therapie. Also da ist der entwickelt worden von einem Therapeuten selbst eben, der das bei sich und bei seinen Kollegen beobachtet hat, und hat dann eben den Freudenberger aus New York, der hat dann diesen Begriff geprägt. Und jetzt haben wir aber eben ganz viele Arbeitsbereiche, die sind eben jetzt nicht in dem Sinne, das ist jetzt eben nicht soziale Arbeit oder Gesundheitsversorgung oder Bildung, sondern eben auch Industrie, in denen aber eben trotzdem diese Emotionsarbeit total zentral wird.
Mary-Jane Bolten:Mir gehen jetzt gerade super viele Sachen durch den Kopf, und ich versuche mal, einen semi-strukturierten Wort-Agust daraus zu machen. Also ich fange mal an über diese Emotionsarbeit, weil was mir dabei so extrem durch den Kopf geht, ist dieses ich bin ja nicht im luftleeren Raum mit meinen Emotionen. Also ich fühle Sachen, und natürlich ist es ein guter Skill, irgendwie mit seinen Gefühlen umgehen zu können, zu verstehen auch, was man selber fühlt, und so Und irgendwie, wie man auf Englisch so schön sagt to be in touch with your feelings. Also super. Aber das passiert ja häufig nicht in einem. Ich mache das nur mit mir selbst aus. Also, wenn ich jetzt mein eigenes Leben angucke, dann spreche ich mit meinem Partner, dann spreche ich mit meinen Freundinnen, dann spreche ich mit meinen KollegInnen, also ich konsultiere ja und bin nicht alleine quasi irgendwie da drin.
Mary-Jane Bolten:Und ich glaube, ein super wichtiges Ding da habe ich mit Nina Mönig vor kurzem drüber gesprochen, die auch letztens im Podcast war ist Vertrauen. Also vertraue ich einmal in die direkte Person, mit der ich da spreche, und dann gibt es aber ja auch nochmal so ein abstrakteres Vertrauen Vertraue ich in die Organisation, in der ich hier gerade bin, also vertraue ich darauf, dass ich da als Arbeitnehmerin zum Beispiel ordentlich behandelt werde, und ich habe das in meinem Alltag beobachtet bei Freunden, die an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gekommen sind, die ganz lange unter extrem hoher Belastung arbeiten konnten Und das gut weggesteckt haben und gesagt haben oh ja, ist ein bisschen viel gerade, oder ja, das letzte Jahr war ganz schön tough, aber eher immer im Dings von, es gibt irgendwie Zeitdruck oder es gibt viel Arbeit, aber konnten damit umgehen, mindestens unter dem Aspekt naja, wahrscheinlich wird es irgendwann besser. Ich habe auch irgendwann mal gelesen Erwachsensein ist, dass man sich immer selber vorlügt, nächste Woche wird es besser, nächste.
Dr. Stefanie Graefe:Woche wird es besser.
Mary-Jane Bolten:Also, da stecken wir irgendwie alle drin, aber das halten ja auch viele sehr gut aus. Und dann gab es aber häufig so Kipppunkte, und das war, wenn diese Vertrauensbeziehungen kaputt gegangen sind, wo man dann gesagt hat ich glaube nicht, dass dieses Unternehmen irgendwie an mir interessiert ist, oder auch nur, oder und das ist, glaube ich, noch schlimmer die direkte Führungskraft oder wer auch immer da für dich verantwortlich ist im Unternehmen, wenn die nicht mehr da sind. Also ein konkretes Beispiel Eine Freundin von mir hat herausgefunden, dass die Männer auf ihrer Position alle deutlich besser bezahlt werden als sie, obwohl sie mit gleicher oder besserer Qualifikation zum gleichen Zeitpunkt eingestiegen ist, gleiche oder mehr Arbeit macht sogar. Und das hat sie erstmal verwirrt. Dann ist sie aber hingegangen und hat gesagt na, ich habe das irgendwie mitgekriegt, können wir da was machen? Das ist ja irgendwie blöd. Und dann wurde aber nichts gemacht, sondern das wurde einfach irgendwie so husch, husch, irgendwie wegmoderiert und dann nicht mehr darüber gesprochen. Und ab da war alle Mehrbelastung nicht nur Belastung, sondern erdrückend.
Mary-Jane Bolten:Ab, da konnte man das irgendwie nicht mehr handeln. Und jetzt versuche ich, den Kniff zu machen zu dem anderen Gedankensetup, das, was du vorher gesagt hast mit diesem es ist eine Anforderung an die Person, dass sie das aber selbst irgendwie gedeichselt kriegt, und zwar a priori. Also das liegt bei dir, und das ist ja diese Psychologisierung, von der du gesprochen hast, stefanie. Und ich finde, was jetzt so interessant ist, ist, dass wir sagen, was jetzt so interessant ist, ist, dass wir sagen, wir haben diese Anforderungen, die uns psychologisieren, und das bedeutet ja für mich erstmal eigentlich bei der einzelnen Person. Also, man hätte ja jetzt sagen können, zu dieser Freundin ja, mensch, du, also du als einzelne Person, du musst damit aber umgehen können, oder wie auch immer.
Mary-Jane Bolten:Aber gleichzeitig sprechen ja ganze Organisationen über Gruppen in dieser Art und Weise Dass, die sagen also wir erleben Führungskräfte, die sagen, ich weiß nicht, die halten das alle nicht mehr aus, und da, finde ich, kommt dieses Psychologisierende auch total. Also das wird ja dann total absurd, weil du kannst ja nicht sagen, du einzelne Person, aber das habt ihr alle dieses Phänomen. Eigentlich ist das ja, dieses Signal dann hoch. Vielleicht ist das dann nicht mehr, und dann müsste es dann auf diese Vertrauensebene im Unternehmen irgendwie gegangen werden, weil dann haben wir total dieses das hattest du auch vorher als Wort gesagt, habe ich mir aufgeschrieben total gut, diese Entproblematisierung der Verhältnisse, in denen da gerade gearbeitet wird. Und das ja, ich weiß nicht, ich habe keine Frage dazu.
Dr. Stefanie Graefe:Ja total spannend. Da hängen so viele Aspekte dran. Also das mit dem Vertrauen, glaube ich, ist wirklich sehr zentral, ist auch wiederum auch gut nachgewiesen. Also das war manchmal in den Untersuchungen so ein bisschen kodifiziert unter so Begriffen wie Betriebsklima oder Führungsverantwortung oder Qualität von Führung sozusagen oder Qualität von Führung sozusagen. Aber das ist natürlich ein zentraler Punkt, gerade weil wir eben so mit unserer Persönlichkeit da drin sind. Also dadurch wird es quasi Teil unseres Lebens so ein bisschen. Und das ist im sonstigen Leben ja auch so, dass man mit den Menschen also ich meine, wir verbringen mit Kollegen teilweise mehr Zeit als mit unseren Partnern, kindern oder was auch immer Also, dass man da so ein Grundvertrauen braucht, zumal, wenn eben die Bedingungen nicht so ganz klar definiert sind, sondern man die sich immer wieder auch neu so erschließen muss. Und ich habe ja auch Interviews geführt mit Menschen, die eben tatsächlich jetzt längere Zeit arbeitsunfähig waren wegen einer Burn-out, aufgrund einer Burn-out-Diagnose oder mit einer Burn-out-Diagnose zusammen, und das war interessanterweise bei denen allen so. Also es gab so einen Kipppunkt, und der hatte immer was mit so einer intersubjektiven Konfliktkonstellation zu tun, also entweder eben die unmittelbare Vorgesetzte, die dann ausrastet und rumschreit oder so. Also es hatte dann immer alles. Das wurde dann auch in den Interviews sehr klar eine lange Vorgeschichte, in der sich das schon so abgezeichnet hat, aber wo aber, wo man das eben immer noch so kompensieren konnte. Und dann gibt es so diesen einen Moment, wo das eben kippt, und dann geht gar nichts mehr. Also dann haben die das teilweise wirklich auch so beschrieben, dass sie sich dem Arbeitsort dann also noch nicht mal dem Stadtteil nähern konnten, in dem der Arbeitsort ist, oder so. Also wirklich so quasi so phobische Reaktionen, oder eben aber auch KollegInnen, auf die man sich wirklich verlassen hat, die dann in einer Konfliktsituation nicht zu einem stehen, oder so. Ich finde aber dieses Beispiel jetzt mit dieser Ungleichheit in der Bezahlung nochmal total spannend, weil das ja nochmal auf einer anderen Ebene liegt. Das ist ja eine strukturelle Diskriminierung, ganz klipp und klar gesagt, das ist ja eindeutig und die aber so verdeckt wird. Dann, und dann stellt man also das stelle ich mir tatsächlich so ein bisschen traumatisch vor, dass man dann so, wenn man das eben nicht wusste und nicht sowieso schon wusste, das ist ein Unternehmen, in dem es immer wieder zu solchen Formen von Diskriminierung kommt. Wenn man davon ausgegangen ist, ich habe hier einen fernen Arbeitgeber, dann festzustellen, oh Gott, das basiert auf andere Logik, die da reinkommt.
Dr. Stefanie Graefe:Meine Frage wäre dann also das würde ich sagen, ist definitiv auch Burnout relevant. Da braucht man wirklich Unterstützung, um damit umgehen zu können. Aber meine erste Frage wäre dann natürlich nochmal gibt es keine Gleichstellungsstruktur in so einem Unternehmen? Also? es ist Lohndiskriminierung, schlicht und einfach. Also, es gibt auch Rechte, die man hat, und diese Vorstellung, ich habe auch Rechte, und die sind auch irgendwo festgelegt, und da kann ich mich drauf berufen.
Dr. Stefanie Graefe:Das ist natürlich was, was so im Zuge dieser Psychologisierung so sehr in den Hintergrund gerät, weil die erste Reaktion dann möglicherweise die ist wie werde ich jetzt damit fertig? Oder das wäre der noch etwas perfidere Move, zu sagen, vielleicht hat es ja auch gar nichts mit dem Geschlecht zu tun, vielleicht gibt es ja in mir irgendwelche Gründe, die das auch legitimieren. Also diese Selbstresponsibilisierung dann. Also, es muss ja irgendwie auch an mir liegen, und das habe ich in den Interviews eben auch immer wieder festgestellt, dass die dann lange gebraucht haben, um aus diesem Dreh rauszukommen Und zu sagen, es hat vielleicht auch was mit mir zu tun, aber es gibt hier auch objektiv strukturelle Gründe oder ein klares Fehlverhalten oder so, und da muss sich dann eben auch was ändern, und ich habe auch ein Recht dazu, das einzuklagen.
Dr. Stefanie Graefe:Also eine meiner Interviewpartnerin hat das dann eben auch so beschrieben, dass sie dann danach zum Beispiel also die wurde dann in einem Gesundheitsbereich immer eingesetzt für Arbeiten, für die sie nicht ausgebildet war, und dann Arbeiten am Patienten, und das hat sie einfach hoch belastet dass sie dann danach gesagt hat, das mache ich einfach nicht mehr, und wenn diese Anforderung an mich kommt, dann gehe ich sofort direkt zum Personalrat und teile das mit oder mache eine Überlastungsanzeige oder so.
Dr. Stefanie Graefe:Aber diesen Schritt also da muss man, glaube ich, eben diesen Zirkel, dass das inzwischen naheliegende ist, zu sagen und vielleicht gerade auch für Menschen, die weiblich sozialisiert sind, das sehr auf sich zu nehmen und zu sagen, was habe ich denn dazu beigetragen, was ja auch nicht schlecht ist. Wir wollen ja auch selbstreflexiv sein. Wir wollen ja auch nicht die Schuld immer an anderen zuweisen, dass man da durchgeht und wirklich sich fragt, was ist jetzt hier wirklich genau passiert, und wo endet auch meine Verantwortung dafür. Aber dann fand ich jetzt noch mal diesen zusätzlichen Punkt, was du zum Schluss gesagt hast, dass eben jetzt auch Vorgesetzte oder Führungskräfte sagen, die halten das gar nicht mehr aus. Da habe ich jetzt so rausgehört. Ich weiß gar nicht, ob das gemeint ist, aber das ist vielleicht auch in dieses Thema. Klagen über GNZ fällt.
Mary-Jane Bolten:Das ist das Häufigste.
Dr. Stefanie Graefe:Das ist total interessant.
Mary-Jane Bolten:Oder auch Krankenstand, dass man irgendwie sagt dann ist es ja nicht nur eine Generation, aber da sind einfach super viele Leute, sehr viel krank.
Dr. Stefanie Graefe:Ja, das ist jetzt interessant, weil das eine Erfahrung ist, die ich durchaus jetzt auch aus einer, sagen wir mal, vorgesetzten Perspektive auch teilen würde, dass sich da was verändert hat. Und ich war jetzt eben ja gerade auf einer Tagung, und irgendwie tauchte da dieses Thema auch auf, wo wir drüber gesprochen haben und die jüngeren Kolleginnen das dann auch sehr klar gesagt haben haben, und die jüngeren Kolleginnen, die auch sehr klar gesagt haben und wir dann eben auch nochmal diskutiert haben wie ist das eigentlich erklärlich, dass sie eben diesen Arbeitsethos, also diese Idee, genau diese Idee ich identifiziere mich zu 80, 90 oder vielleicht sogar 100 Prozent über meine Arbeit und über meinen Erfolg im Beruf die da waren, gesagt haben, das für sie kommt überhaupt nicht in Frage, und bei ihren Freundinnen und Bekannten eben auch nicht. Also, das ist total klar, das wollen sie nicht, und das machen sie auch nicht. Und das führt dann auch eventuell zu Konflikten, eben gerade in Arbeitsfeldern, wo man das aber so selbstverständlich vielleicht so ein bisschen voraussetzt, dass das so ist, dass man bereit ist, sich auch mehr als sozusagen im Rahmen des unbedingt Notwendigen zu engagieren. Und dann haben wir eben lange darüber gesprochen.
Dr. Stefanie Graefe:Wie kommt das eigentlich? weil jetzt aus unserer soziologischen Perspektive würden wir bei Gene Z sagen die sind ja in dieses unternehmerische Selbstleistungsnarrativ hinein sozialisiert worden. Die müssten es eigentlich total verinnerlicht haben, das ist aber offensichtlich nicht der Fall. Also, wie ist das eigentlich erklärbar? Und die Antwort war dann na, sie haben es an ihren Eltern erlebt, was das bedeutet, und das wollen sie auf keinen Fall. Also so, das machen sie nicht.
Serap Yilmaz-Dreger:Also diese Form von Entgrenzung und das ist vielleicht auch nochmal ein wichtiges Stichwort jetzt in Bezug auf Arbeit, also Entgrenzung von Arbeit in das, diese Idee der Verschmelzung eben auch mit Arbeitsanforderungen, dass die jetzt nicht einfach so übernommen wird und weitergetragen wird, das fiel mir jetzt gerade bei dem letzten Punkt ein, den ich sehr spannend finde Begriff Responsibilisierung eben auch genannt, und ich habe in der Literatur da sehr interessante Konzepte und auch vielleicht ich würde mal sagen Lösungsvorschläge gefunden, wie man es schafft, den Begriff Resilienz auch ein bisschen mehr zu greifen und nicht nur zu problematisieren, weil in ihm ja auch positive Elemente stecken können, die wir nutzen können oder die wir verbinden, und ich habe da relativ viel gefunden. Also, die Forschung ist auch schon auf jeden Fall so sieben bis zehn Jahre her, dass man von Re-Responsibilisierung spricht, also dass wir das Thema Responsibilisierung wieder in die Hand nehmen müssen, aber überlegen müssen und das trifft komplett auf dieses Beispiel von Mary und dem Vertrauensverlust zu dass wir sozusagen also im Englischen beschreiben die das als Territory of Responsibilities dass man sich dieses Territorium nochmal anguckt und schaut wie ist das gerade verteilt, dieses Territorium? Und ganz viel geht durch die Themen, die wir eben angesprochen haben, wie Emotionsmanagement, personen, die von prekären Arbeitsverhältnissen betroffen sind, marginalisiert sind. Die nehmen relativ viel Territorium ein. Ihnen wird das gegeben, als du bist auf diesem Territorium, du hast die Verantwortung, die Selbstverantwortung. Wir haben auch mit Jans Labi über das Thema gesprochen, dass wir Herr und Knecht gleichzeitig geworden sind. Also es ist total in uns diszipliniert, selbstdisziplinierend vorhanden, dass da natürlich auch immer der Hut drauf sitzt des Resilienzseins. Also genau diese Personen sind auch die, die resilient sind aufgrund der Erfahrung, aber denen auch gesagt wird du musst weiterhin resilient sein, das ist genau dein Territorium.
Serap Yilmaz-Dreger:Das Konzept von den Social Bonds oder dem Thema Solidarität in dieser Re-Responsibilisierung, dass sie sagt, wir müssen diese Territorien neu aufteilen und wirklich schauen, wer ist responsible für was? Und im Englischen würde man sagen, wer ist auch accountable, vielleicht für ein Thema? Also die unterscheiden zwischen Accountability, also Haftbarkeit, und Responsibility. Und das finde ich total spannend, weil dadurch wir ja akzeptieren, dass wir in kollektiven Bedingungen miteinander sind, und dann wird es eventuell auch wieder möglich, solidarität untereinander zu haben.
Serap Yilmaz-Dreger:Also genau das Thema zu sagen, selbst wenn ich als Person nicht alle Ressourcen habe, habe ich vielleicht die Ressource, kolleginnen und Kollegen oder das gemeinsame Lösung finden, auf das ich mich zurückfallen lassen kann, was übrigens in seiner Logik wieder Resilienz bedeuten würde, dass man genau diese Ermächtigungsressourcen nutzt und mit unglücklichen Situationen als Gruppe umgehen kann, weil ein bisschen klarer ist, wo die Responsibilität liegt. No-transcript Territorium der Responsibilität anschauen und ein Re-Responsibility-Programm starten, also eine Neuordnung dieser Responsibilitäten. Und das fand ich an sich erstmal sehr spannend, weil ich das auch nirgendwo anders bisher irgendwie mitbekommen habe als Diskurs. Ich wollte da auch mal fragen wie ist so dein Blick darauf, stefanie? Vielleicht hast du da auch ein paar Gedanken dazu.
Dr. Stefanie Graefe:Ich höre das jetzt zum ersten Mal, deswegen ist es sehr spontan, es klingt erst mal spannend, und Iris Marion Young sagt mir auf jeden Fall auch, was Und diese Idee, Accountability und Responsibility zu unterscheiden, überhaupt, das leuchtet mir total ein. Ich hätte trotzdem also mir scheint es so ein bisschen, wenn ich das richtig verstanden habe das ist jetzt so eine weiterentwickelte oder eine etwas kritischere Form von Resilienz. Also nochmal zu sagen, resilienz ist eben nicht nur etwas, was die einzelne Person und ihr Verhältnis jetzt in diesem Fall zur Arbeit oder zur Belastung betrifft, sondern das ist eben ein systemisches Geschehen, und das hat eben auch was zu tun mit Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten, und das müssen wir uns genau angucken.
Serap Yilmaz-Dreger:Kommt wahrscheinlich vielleicht sogar auch aus der systemischen Therapie. Also, ich glaube, sie kommt aus der Ungleichheitsforschung ursprünglich. Also Young weiß ich schon, aber diese Idee mit der Re-Responsibilisierung oder so, aber egal.
Dr. Stefanie Graefe:Aber diese Idee mit der Re-Responsibilisierung oder so, aber egal. Ich würde trotzdem so ein bisschen vorsichtig bleiben, ob das wirklich die Lösung ist, weil ich glaube, dass viele der Probleme, die Belastung produzieren, tatsächlich auf den unternehmerischen Interessen. Es gibt einen Grundkonflikt und einen Grundwiderspruch, der durch solche Maßnahmen nicht aufhebbar ist. Es gibt ja auch den Begriff des resilienten Unternehmens, und wenn man sich das anguckt, was das ist und was das heißt, gerade in Krisenzeiten, dann kann es eben einfach sein, dass das, was das Unternehmen resilient macht im Sinne von, es kann am Markt überleben und sich behaupten, im Sinne der Resilienz der Mitarbeiter schlecht ist.
Dr. Stefanie Graefe:Also Personalabbau beispielsweise klassischerweise. Also da gibt es ich will nur sagen, am Ende läuft es möglicherweise auch auf Situationen hinzu, die auf dieser Ebene des Teams oder so gar nicht adressierbar sind, und das sollte man im Blick behalten. Und ja, also, ich würde es nicht glauben, dass man das sozusagen durch solche intersubjektiven Managementkonzepte oder Verbesserungen von Bewusstsein sozusagen alles in den Griff kriegt. Also, wenn das Personal zu niedrig bemessen ist, dann ist es zu niedrig bemessen. Also kann man jetzt, es wird immer belastend bleiben, so eine Situation für die Beteiligten.
Serap Yilmaz-Dreger:Aber dass das sozusagen die Verantwortung wäre der Führungskraft oder des Vorgesetzten oder des CEO zu wissen. ich muss jetzt Verantwortung übernehmen und mehr Menschen einstellen, also das ist, glaube ich, auch so ein bisschen der Wunsch dahinter wirklich Verantwortung dafür zu übernehmen. Aber du hast natürlich vollkommen recht. Also, ich hatte das bei Felix Syrowodka abgeguckt, weil er sich das auf.
Serap Yilmaz-Dreger:EU-Ebene anschaut, und der ist ja auch so Flex Security, also dass am Ende die Sicherheit bei dem Menschen bleibt, die das Unternehmen sozusagen hat, und die Flexibilität bei den Personen ist und die am Ende auch einfach ihren Job verlieren können, dass das sozusagen ein Outcome sein kann. Das fand ich auch nochmal sehr griffig dargestellt von ihm.
Dr. Stefanie Graefe:Genau der hat das ja auch genau für diese Autoritätspolitik der EU, da wohl eben dann eben interessanterweise eben auch Resilienz so der Schlüsselbegriff ist Und mit dem dann eben das auch gerechtfertigt werden kann, eben auch eine sehr respektive Arbeitsmarktpolitik, eine Rücknahme auch von Arbeitsrechten, eben auch eine sehr restriktive Arbeitsmarktpolitik, eine Rücknahme auch von Arbeitsrechten. Also das wäre so ein bisschen auch immer so meine Linie, dass ich so sagen würde lasst uns einmal auch nochmal auf die rechtliche, also nicht rechtliche Situation in so einem engen juristischen Sinn, aber was hast du als Arbeitnehmerin, als abhängig Beschäftigte eben auch für berechtigte Ansprüche und für Rechte? Und bevor wir sozusagen auf diese intersubjektive Aushandlungsebene gehen, die sozusagen auf diese intersubjektive Aushandlungsebene gehen, die trotzdem total wichtig und konstruktiv sein kann, natürlich Und glaube ich, vor allen Dingen jetzt im Blick auf die Qualifizierung von Führungskräften, ist das bestimmt total gut, also sich diese Fragen nochmal zu stellen Wer ist für was wirklich zuständig, wer ist für was verantwortlich, und wem wird möglicherweise eine Verantwortung überschrieben?
Serap Yilmaz-Dreger:die eigentlich mit ihrer Rolle und ihrem Arbeitsplatz vielleicht davon gar nicht gedeckt ist und von der Bezahlung am Ende möglicherweise auch nicht. Das auch auf sozusagen Political Economy Sicht historisch damit beschäftigt, wie Austeritätspolitik halt genau in diese Richtung wirkt, wie du es gerade beschrieben hast.
Mary-Jane Bolten:Sehr zu empfehlen, spätkapitalistische Dilemma irgendwie deutlich. Also wir wollen als Gesellschaft erfüllte, glückliche BürgerInnen, und gleichzeitig ist Arbeitskraft. also egal, ob es irgendwie transaktional, am Fließband irgendwie du machst das für diesen Stundenlohn, wo man es irgendwie klar sagen kann, oder aber Kreativarbeit in Agenturen oder so weiter ist Das, was wir reingeben, ist Arbeitskraft und ist damit ja eine Ressource, die ein Unternehmen irgendwie managt. Und natürlich gibt es da ein grundsätzliches Spannungsverhältnis, wo man sagt je mehr die einzelne Person auf sich nehmen kann, desto also. es gibt irgendwie aus Unternehmenssicht wenig Grund zu sagen ja, schlimm, ich mache da was, solange das nicht einen bestimmten Kipppunkt erreicht, solange man nicht merkt oh, das kostet uns richtig was.
Mary-Jane Bolten:Und es ist eine Zeit lang Zizek hat das super gut beschrieben mit diesem Postmodern Leadership, dass du irgendwie sagst aber kommen Leute dahin und sagen okay, aber wir müssen hier auch einmal über Rechte sprechen, damit ich weiß, wo ich meine Grenzen ziehen kann. Und ich glaube, wenn das passiert, dann ist ja ein Unternehmen auf einmal so ein bisschen konfrontiert mit den Sachen, und dann geht man ja auch wieder in so eine Art Arbeitskampf no-transcript. Und wenn sich das aber dann aber bemerkbar macht, und dann finde ich deine Frage oder deine Aussage so gut mit, wenn Resilienz die Antwort ist, was ist die Frage. Wir hören also, jetzt ploppt Resilienz wieder ganz viel hoch, und das macht Sinn vor dem Kontext des letzten Jahres, wo es wirtschaftlich so angespannt war, dass Resilienz jetzt bei. also, die Menschen, mit denen wir sprechen, sind ja in der Regel in den Führungspositionen und Top-Führungspositionen, das sind ja also die Auftraggeber, und das sind die Führungskräfte da.
Mary-Jane Bolten:Dass, die jetzt über Resilienz sprechen, bedeutet ja, dass irgendwas nicht funktioniert, und ich finde, dann müssen wir uns durchaus die Frage stellen okay, was ist aber eigentlich die Frage? also, wo kommt das her? Dann finde ich diesen Re-Responsibilisierungs Aspekt schon ganz schön, um dann aber quasi aufs System zu gucken und zu sagen, was muss dieses System hergeben, und was liegt zum Beispiel in der Rollenbeschreibung von Person, führungskraft? dann zu sagen, naja, vielleicht hilft es nicht, wenn du nur Transformational Leader bist und inspirierende Nachrichten reinschmeißt, sondern vielleicht musst du auch tatsächlich ein bisschen strukturieren, den Arbeitsplan strukturieren oder so weiß ich nicht. Und da finde ich das eigentlich dann schon ganz hilfreich, wenn man es nicht nur in dieses Intersubjektive nimmt, sondern auf die Strukturebene setzt.
Dr. Stefanie Graefe:Absolut, ja, ja, sehr spannend. Aber ich hätte noch mal eine Nachfrage wenn die Führungskräfte zu euch kommen und über Resilienz sprechen, welche Resilienz meinen sie denn damit? Ihre eigene oder die ihrer Mitarbeiterin, die der Mitarbeiter?
Mary-Jane Bolten:Ah, okay, Wir machen gar kein Coaching und solche Sachen. Also, da sind wir weit weg von Genau. Und das Ding ist also du musst dir vorstellen, die Leute, mit denen wir zusammenarbeiten, sind häufig Geschäftsführende, und bis die das Wort Resilienz benutzen, kursiert das schon im Unternehmen. Und wenn man dann aber reinguckt, quasi, wo wird das benutzt? dann wird das oft aus so einer, aus so einem Huch-Moment heraus benutzt.
Mary-Jane Bolten:Oh, wir sind überrascht, irgendwie da passiert was. Und dann ich glaube, was häufig auch passiert ist man vergleicht das mit sich selbst, und natürlich sind Leute, die bereits jahrzehntelang in Führungspositionen sind, die sind erstens wahrscheinlich in den Führungspositionen, weil sie auch mit Stress und so gut umgehen konnten. Also da passiert ja auch eine Selektion irgendwie, und sie haben natürlich auch einen großen Abstand zu dem, was da jetzt eigentlich passiert oder wie sich die Realität für jemand anfühlt, der da gerade arbeitet. Also, ich will das nicht allen unterstellen, aber ich glaube, manchmal passiert das Ja, und da wird dann irgendwie über Resilienz gesprochen, und deswegen schwappt das immer mal wieder jetzt in Unterhaltung mit uns auf, und deswegen beschäftigen wir uns jetzt auch gerade mit diesem Thema, um zu verstehen, was, was bedeutet das für ein Unternehmen, wenn Menschen da drin über Resilienz sprechen?
Mary-Jane Bolten:Also ich glaube, auch wir sind uns einig. Das ist nicht die Antwort, da jetzt Resilienztrainings zu machen, sondern dann ist ja die Frage wieso reden Leute darüber?
Serap Yilmaz-Dreger:Aber einige machen ja auch Resilienztrainings, oder Genau das wollte ich nämlich gerade sagen, aber ich glaube, das sind häufig nicht die Geschäftsführenden, sondern die HR-Abteilung, die ja auch limitiert sind in ihren Bereichen. Aber da gibt es ein spannendes Phänomen. Also, ich habe das so ähnlich gemacht, stefanie, wie du mit den Self-Help-Ratgeber-Büchern.
Dr. Stefanie Graefe:Ah ja, ich habe da jetzt schon länger nicht mehr reingeguckt.
Serap Yilmaz-Dreger:Das ist ja spannend, ich bin gespannt Also, dass ich einfach mal also andersrum dieselt und mal geguckt habe was für Trainings gibt es eigentlich? Also an welchem Status quo sind wir gerade? Und da gab es, wenn man also so diskursanalytisch drauf guckt, auf die Angebote, war es ganz lange für Mitarbeitende. Meine Mitarbeitenden müssen resilienter werden. Die Mitarbeitenden sind im Einzelnen gefragt, und was ich jetzt gesehen habe, ist Resilienztrainings für Führungskräfte, damit sie ihr Team resilienter machen.
Serap Yilmaz-Dreger:Also es kriegt sozusagen ganz neue Züge und weitere Verantwortung. Das ist nicht mal nur ausreichend. Also da geht es auch darum, selbst als Führungskraft sein Rollenverständnis irgendwie nochmal zu schärfen. Wofür bin ich eigentlich verantwortlich? Und dann sind sie auch noch verantwortlich dafür, dass ihr Team von zwölf Leuten auch bitte resilient sein soll. Und das schwappt weiter auf die C-Level-Ebene, dass wirklich die HR-Chefinnen und Manager sagen okay, wir sind verantwortlich, dass das Unternehmen resilient ist. Und die nächste Ebene ist eigentlich die, die wieder zum Ursprung vom Resilienzdiskurs kommt, dass man sagt, wir müssen das System resilienter machen und die Ökologie resilienter machen, damit wir als ganz Erde und Gesamtheit funktionieren.
Serap Yilmaz-Dreger:Also, es gibt schon sehr großen Druck, auch auf Menschen, die Unternehmen führen, würde ich sagen, zu sagen macht mal bitte alles und jeden und auch weiß ich nicht den Office-Hund resilient, bitte an der Stelle. Also es ist schon fast ein bisschen. also ich musste schmunzeln, als ich das gesehen habe, weil ich dachte, das sollen Vorgesetzte auch noch? Wie sollen sie das denn schaffen? Das war so mein erster Gedanke, als ich diese Trainings gefunden habe, die auch super für Führungskräfte immer fünfmal so viel kosten wie für einzelne Mitarbeitende der Seite der Arbeitsagentur gestoßen bin, Genau das, was du gerade beschrieben hast.
Dr. Stefanie Graefe:also kommen Sie mit uns ins Training und entdecken Sie fünf einfache Resilienzbooster für Ihr Team. Also es richtet sich an Führungskräfte, und genau es geht auch um das seelische Immunsystem und so weiter zu stärken Seelische Immunsystem Ja, das ist ja immer da so, warum Resilienz ihr Team stark macht. Und da gibt es fünf einfache Muster für das Team, nämlich Kontrolle, Selbstwirksamkeit, Optimismus, Sicherheit und Verbundenheit. Und das würde mich dann auch gleich. also ich finde das super spannend, was ihr erzählt, aus euren Erfahrungen. Also, weil das sind jetzt so Schlagworte Kontrolle, Sicherheit, Verbundenheit und so weiter, ist ja erstmal nachvollziehbar. Aber Resilienz hat ja als Konzept auch noch neben dem Und Resilienz hat ja als Konzept auch noch neben dem, dass es zu dieser Selbstresponsibilisierung oder Individualisierung tendiert ja auch noch das Problem, dass es ein bisschen so ein Gummibegriff ist, unter dem man so alles Mögliche fassen kann. Also, wenn jetzt Leute zu euch kommen, die über Resilienz sprechen oder über die Notwendigkeit von Resilienz, haben die eine Vorstellung davon, was sie damit meinen, Oder ist das einfach ein Synonym für ja, die sollen sich halt zusammenreißen.
Mary-Jane Bolten:Ja, ich glaube also, die wenigsten kommen zu uns und sagen, wir brauchen Resilienz, Das nicht. Aber ich habe einfach gemerkt, dass es in den letzten Gesprächen häufiger mal irgendwo mitverwendet wird, Und ich glaube, für mich ist das eher wie die meisten so Buzzwords, wie du ja auch gerade meintest so leerer Begriff. Wie die meisten Buzzwords ist das einfach ein Ding, wo man sich anguckt huch, das wird irgendwie gerade als Füllwort benutzt, Genau.
Mary-Jane Bolten:Und jetzt ist ja eigentlich die Frage was versuchen Sie damit gerade auszudrücken? Und also, unsere Aufgabe ist dann eher zu gucken, was ist wirklich gerade das Problem mit dem, die da konfrontiert sind, und können wir dann an diesem Problem arbeiten?
Mary-Jane Bolten:Nicht so sehr können wir Resilienz aufbauen, weil für mich ist erstmal, wenn jemand Resilienz sagt noch gar nicht klar, dass Resilienz die Lösung ist, weil auch dann ist ja wieder die Frage, auf welcher Ebene und wo überhaupt Genau? also für mich wäre immer die Frage oh, signalwort, so Dings, vielleicht da kratzt gerade irgendwas, da müssen wir mal reinschauen, was das wirklich ist, was auslöst, dass Leute diesen leeren Begriff benutzen Oder diesen für sie wahrscheinlich hat er ja eine Bedeutung, aber in der Kommunikation, finde ich, ist es ein schwieriger Begriff, weil er kann halt viele Sachen heißen.
Dr. Stefanie Graefe:Genau, das würde ich auch sagen. Ich würde gar nicht sagen, dass er leer ist, aber ich würde sagen, er ist eben sehr, sehr flexibel. Also in der Deutungsbeschreibung.
Mary-Jane Bolten:Noch einen Nachtrag zu dem, was du gesagt hast mit der Agentur für Arbeit. Das hat mir Stefan Schulz gestern erzählt im Büro. Der meinte nämlich, die Agentur für Arbeit stand ganz stark unter Druck wegen der deutschen Rentenkasse. Weil also Unternehmen sind anstrengend, Leute irgendwie kommen an ihre Grenzen, und dann ist häufig die Lösung Frührente oder werden ausgegliedert. Das bedeutet aber, die Rentenversicherung muss einspringen.
Patrick Breitenbach:Die Rentenversicherung geht auf die.
Mary-Jane Bolten:Barrikaden und sagt, das kann nicht sein, ihr seid verantwortlich, dass es euren Leuten wieder gut geht und dass ihr die da reinkriegt. Trainings, damit die Leute wieder ins Unternehmen können, und damit auch Unternehmen. Also, die werden ja auch den Unternehmen selbst angeboten, damit die gar nicht erst in die Bredouille kommen, dass Leute ganz gehen müssen, was ich glaube, auf Unternehmensseite auch gerne angenommen wird, weil ich meine, wir haben einfach einen demografischen Wandel, wir haben Fachkräftemangel, also dass Leute wieder mehr zurück ins Unternehmen sollen. Genau, aber das als Kontextualisierung.
Dr. Stefanie Graefe:Das finde ich total spannend. Das werde ich gleich auch nochmal erforschen für mich diesen Zusammenhang. Und tatsächlich ist ja so, dass bei den Frühfahrrenten psychische Erkrankungen als Ursache sehr weit vorne sind, Und das ist auch spannend im.
Mary-Jane Bolten:Generationendialog. Also sind das nur die Gen Z oder so, weil wir haben auch ein Gespräch gehabt hier, da ging es darum, dass durch die Bank weg Leute weniger arbeiten wollen, es gehen mehr Leute in Frührente als jemals zuvor. Also das ist ja nicht die Gen Z, die dann sagt ach nee, ich mache ein bisschen früher Feierabend. Also auch da es gibt, glaube ich, schon ein bisschen Shift, aktuell einfach.
Dr. Stefanie Graefe:Und das, obwohl die Bedingungen ja eigentlich schwieriger geworden sind, um in die Frührente zu gehen. Ja, und das würde ich auch sagen, da gibt es wahrscheinlich einen Shift insgesamt. Der ist jetzt gar nicht nur generationstypisch, und der hat was natürlich damit zu tun, auch mit der ganzen Situation, in der wir alle so sind, dass man so das Gefühl hat. Also ja, was jetzt genau? Also, worum geht es jetzt eigentlich im Leben? Und wenn alles so derartig unsicher ist, wie es ja jetzt nun wirklich ist, dann möchte man vielleicht auch noch ein bisschen was anderes vom Leben haben als Arbeit.
Dr. Stefanie Graefe:Also, das, finde ich, ist ein interessanter Punkt, weil das nicht unbedingt erwartbar war, dass da so eine Reaktion darauf geht. Also, man hätte jetzt von der Logik her auch denken können, wenn so ein Modus der Individualisierung und Responsibilisierung einmal wirklich gesellschaftlich etabliert und verinnerlicht ist Und dann ist Gen Z deswegen interessant, weil die eben von Anfang an da rein sozialisiert worden sind, anders als die älteren Generationen Dann gilt das so unhinterfragt. Aber dass es da eben so Gegenbewegungen gibt, das finde ich spannend und auch, ehrlich gesagt, ein bisschen ermutigend, also, dass das nicht so funktioniert, dass solche großen gesellschaftlichen Narrative oder Normen sich so eins zu eins weiterpflanzen, gesellschaftlichen Narrative oder Normen sich so eins zu eins weiterpflanzen.
Serap Yilmaz-Dreger:Was würdest du denn sagen, stefanie, wenn man jetzt so drauf guckt? Also, du hast ja auch beschrieben, dass du gewerkschaftliche Arbeit gemacht hast, dass du Bildungsarbeit gemacht hast. Wir haben jetzt irgendwie festgestellt, alle sind erschöpft, also auch selbst. Ich glaube, dass zum Beispiel ein Buchen eines Resilienztrainings als CEO auch etwas mit Erschöpfung zu tun hat, weil es wirklich auch Komplexität reduzieren kann, an einer Stelle vielleicht. Also es ist ein vermeintlicher Trugschluss, aber ich glaube, dass das schon nachvollziehbar ist, dass man sagt ich will jetzt ein paar Maßnahmen wirklich auch umsetzen und gucken, dass was passiert, bestimmt auch aus Erschöpfung heraus. Da bin ich mir ziemlich sicher. Also, wir machen ja nicht umsonst Problemanalyse ganz viel, weil es ist einfach eine schwere Arbeit, die viel Zeit kostet, also was wir bei der Gen Z ja auch sehen, was ihr beschrieben habt.
Serap Yilmaz-Dreger:Was ich total spannend finde, ist ich verstehe zum Beispiel darin nicht komplett, ob das auch eine Form von Individualisierung ist, weil ich hätte irgendwie gedacht, der Gegenpol dazu ist Kollektivierung. Aber das sehe ich irgendwie gerade nicht, und dann muss ich immer direkt an Gewerkschaften und Betriebsräte und so weiter denken. Kannst du da aus deiner Arbeit vielleicht auch so ein bisschen sagen gibt es Lösungen, um mit dieser Erschöpfung umzugehen? Kriegen wir da vielleicht in Zukunft noch was hin? Können wir das Ruder umreißen? Hast du da vielleicht in deiner Forschung auch Gedanken zu? das Ruder umreißen Hast du da vielleicht in deiner Forschung auch Gedanken zu?
Dr. Stefanie Graefe:Meine Lieblingsfrage.
Serap Yilmaz-Dreger:Was machen wir jetzt? Schlafen wir einfach, schlafen wir uns aus, oder was machen wir jetzt?
Dr. Stefanie Graefe:Genau, da sind jetzt auch viele verschiedene Aspekte. Also erstmal bei dem Trugschluss Ich darf bei aller Kritik, die ich am Resilienzkonzept habe, aber da würde ich vielleicht gar nicht so ganz mitgehen Resilienzkonzept habe, aber da würde ich vielleicht gar nicht so ganz mitgehen Also ich würde nicht sagen, dass diese aufs Individuum fokussierten Maßnahmen, die letztlich sagen wir mal etwas vereinfacht in einem besseren Emotionsmanagement und einer größeren auch kognitiven Klarheit darüber, was kann ich machen, was muss ich machen, was will ich machen, und wo sind die Grenzen dazwischen. Also so könnte ja ein gutes Resilienztraining auch aussehen, so könnte ja ein gutes Resilienztraining auch aussehen.
Patrick Breitenbach:Das wäre dann eine Art von Coaching Also.
Dr. Stefanie Graefe:Problembewältigungscoaching, stressbewältigungsseminar, dass die gar nichts bringen, das würde ich nicht sagen. Das glaube ich nicht. Ich glaube, dass die schon was bringen können, nur dass sie je nachdem no-transcript, also, dass man eben nicht sagt, ja, was ist der Grund dafür, und können wir das abstellen oder nicht oder verändern, sondern gleich ansetzt bei dem subjektiven Erleben. Also, es gibt ja auch in der Stressforschung diese Unterscheidung zwischen den Stressoren, die von außen kommen, die ich tatsächlich nicht beeinflussen kann, erstmal, und dem Stress erleben. Und man weiß, dass dieses Stress erleben also die Bewertung davon nehme ich das überhaupt als Stress wahr eine wichtige Rolle spielt.
Dr. Stefanie Graefe:Aber ich glaube, mit dem Konzept der Resilienz verknüpft ist ein bisschen so eine Verabsolutierung dieser Einsicht, dass man eben sagt, das ist die entscheidende Größe für alles, und gar nicht mehr guckt, was sind denn jetzt die Stressoren, und könnte man die möglicherweise sogar relativ leicht beheben, oder liegen sie im System begründet? aber dann könnte man sich darüber austauschen, wie man sich in so einem System bewegt. Das ist auch nochmal eine andere Frage als die wie kann ich an meinen Emotionen und Gedanken arbeiten, um mich besser zu fühlen, sozusagen produktiv zu bleiben? Genau, also, ich würde klassisch jetzt auch gerade aus einer gewerkschaftspolitischen Perspektive da komme ich eben auch her und finde das eben einfach auch wichtig sagen, dass es genau darum geht, also diese Unterscheidung nicht aus dem Blick zu verlieren. Und in der Belastungsforschung, betrieblichen Gesundheitsforschung und so weiter gibt es ja diese Unterscheidung Arbeits und Gesundheitsschutz von Verhältnis und Verhaltensprävention. Und da kann man, glaube ich, schon sagen, dass es also unter anderem durch solche Konzepte wie Resilienz und starken Sog in Richtung der Verhaltensprävention gibt. Aber eigentlich weiß jeder Mensch, der sich damit länger beschäftigt, dass am Ende die Verhältnisprävention die entscheidende ist.
Dr. Stefanie Graefe:Und ich würde erst mal sagen es ist wichtig, das überhaupt zu verstehen, dass das ein Unterschied ist, dass das zwei verschiedene Zugänge sind. Und das heißt nicht, dass die Verhaltenspräventionen komplett falsch sind. Das heißt ja auch nicht, dass es keine. Also es wäre jetzt auch falsch zu sagen, alle abhängig Beschäftigten ArbeitnehmerInnen, die sich über ihren Chef beschwerven und Schwierigkeiten, also das kann man ja jetzt nicht leugnen, oder dass es tatsächlich auch in der Einstellung, in der Haltung Probleme produziert werden, die vermeidbar wären, und so weiter. Und unter Verhaltensprävention fällt ja auch sowas wie das Unternehmen Sportkurse anbieten, entspannungsräume, solche Sachen.
Dr. Stefanie Graefe:Also der Schluss kann ja jetzt nicht sein, zu sagen, sagen, das ist alles, soll man alles nicht machen, nur wenn das eben die einzige Lösung ist, die angeboten wird, und diese Ebene der Verhältnisprävention da so komplett aus dem Blick gerät, dann ist es natürlich schon schwierig. Und wir haben ja auch wiederum rechtliche Instrumente, zum Beispiel das Instrument der Gefährdungsbeurteilung. Also, es muss eigentlich von Unternehmen auch die Gefährdungsbeurteilung in Bezug auf psychische Fehlbelastung, heißt das, dann korrekterweise durchgeführt werden. Aber sehr viele Unternehmen machen das eben einfach gar nicht, oder sie machen es und ziehen dann wiederum Schlüsse daraus, die eben allein auf der Ebene es noch viel Gestaltungsspielraum, aber es müsste eben auch eine gesellschaftliche Awareness geben, die diese Differenz sozusagen klar macht.
Dr. Stefanie Graefe:Also, was kann man auf der Ebene erreichen von Verhaltensprävention? Viele Beschäftigte wollen das ja auch gerne, finden das ja auch gut, oder was weiß ich. Da kann auch sowas dazugehören, wie in der Kantine wird gesundes Essen angeboten. Das ist ja super. Also da kann man ja nichts gegen haben. Nur sollte es eben darauf nicht reduziert werden. Und diesen anderen Punkt finde ich aber auch nochmal sehr spannend. Also, ihr sagt Gen C, ich dachte immer, es heißt Gen Z, aber egal.
Mary-Jane Bolten:Vielleicht spreche ich es auch falsch aus. Das eine ist einfach britisch und das andere ist amerikanisch, ah, okay. Die einen sagen sie, die anderen sagen sie Alles klar, genau, genau.
Dr. Stefanie Graefe:Das hatten wir nämlich jetzt auch diskutiert da in diesem Kolleginnenkreis, also dass wir so einerseits die Wahrnehmung haben, also diese Verinnerlichung des Leistungs und Arbeitsethos hat nicht stattgefunden, wie man es jetzt aus soziologischer Perspektive vielleicht hätte erwarten müssen. Daraus könnte man jetzt den Schluss ziehen, dass es auf der anderen Seite auch eine größere Bereitschaft geben könnte, eben zu kollektiver Organisierung, kollektiven Auseinandersetzungen. Das ist aber auch nicht der Fall.
Serap Yilmaz-Dreger:Also, es ist wirklich so ein ganz interessantes Phänomen.
Dr. Stefanie Graefe:Und dafür hatten wir jetzt ehrlich gesagt noch nicht so eine richtige Erklärung, also außer zu sagen also irgendwie hat sich dieser Individualisierungsimperativ, der eben unter anderem neben vielen anderen auch sich in dieser Popularität des Resilienzkonzepts ausdrückt, der auch sich in dieser Popularität des Resilienzkonzepts ausdrückt, der ist so halb irgendwie, also der war so halb erfolgreich, also hat sich auf einer bestimmten Ebene hat er sich schon auch sehr durchgesetzt, und nur eben jetzt auf eine Weise, die man vielleicht nicht erwartet hätte, was ja wunderbarerweise einmal mehr belegt Menschen sind keine Roboter und lassen sich nicht programmieren, auch nicht durch gesellschaftliche Diskurse. Das ist ja großartig, das möchte ich auch gar nicht anders haben. Es ist ja auch interessant. Also, es gibt eine tendenzielle Verweigerung, sagen wir mal dieses Extremleistungsethos. Es gibt auf der anderen Seite aber auch eine Hypersensibilität für Themen wie Selfcare und eben auch Fragen von psychischer Belastung, wo man manchmal denkt, das hat jetzt tatsächlich nichts, da ist jetzt tatsächlich keine kollektive Perspektive mehr drin, sondern da hat es vielleicht manchmal sogar so eine Tendenz, wer jetzt am besten sein eigenes Leiden in Worten fassen kann, hat auch am meisten Möglichkeiten, damit andere unter Druck zu setzen oder so, wenn es ganz extrem kommt.
Dr. Stefanie Graefe:Also, es gibt so einen Rückzug auch ins Private, und da spielen natürlich jetzt auch Faktoren mit rein, über die wir jetzt ja noch gar nicht gesprochen haben, wie Digitalisierung, social Media und so weiter, und die Frage, wie man eben in so eine Welt hinein sozialisiert wird, die einfach da nochmal ganz andere Möglichkeiten auch bietet. Und das war eben auch durchaus was, was eben jetzt Kolleginnen aus diesen jüngeren Jahrgängen auch so selbstkritisch angemerkt haben, dass sie gesagt haben, es gibt schon ein größeres Bewusstsein und auch einen Austausch. Aber diesen Schritt dann sozusagen zur Form von Organisierung zu gehen, das ist dann häufig doch schwieriger. Vielleicht erleben wir da jetzt gerade schon wieder so einen Gegentrend. Das kann ich aber noch nicht sagen, weil wir jetzt, wenn wir aus dem Bereich der Arbeit mal kurz rausgehen, im Bereich der Politik zumindest sehen, dass ja im Moment sehr, sehr viele junge Menschen auch in Parteien eintreten und sich wieder einbringen wollen.
Dr. Stefanie Graefe:Also das sind alles auch immer so Momentaufnahmen, so ein bisschen, und natürlich jetzt das, was ich jetzt gesagt habe, ist jetzt überhaupt nicht empirisch gesichert, sondern so Privatempirie oder Eindruck. Aber das wäre so mein Eindruck. Es gibt so ein merkwürdiges halbes Annehmen sozusagen dieses neoliberalen Leistungsimperativs. Der wird einerseits, aber eben in einem Bereich, wo man es eher nicht vermutet hätte, sondern nämlich in dem Bereich der Freizeit und der Selbstverhältnisse ist er schon angekommen. Im Bereich der Arbeit wird er zum Teil und der Leistung, sozusagen der Produktivität, wird er aber zum Teil auch deutlich zurückgewiesen, und das finde ich jetzt einfach erstmal spannend, aber zum Teil auch deutlich zurück gewesen, und das finde ich jetzt einfach erstmal spannend.
Serap Yilmaz-Dreger:Wo ich das auch gerade aktuell beobachten kann, ist in den Protesten in der Türkei, wo wirklich studentische Bewegungen gerade auf die Straße gehen, weil sie gegen dieses falsche Versprechen, dass ich studiere, werde, arbeiten und ein gutes Leben führen können, dass das in der Form nicht mehr machbar ist. Also, angestoßen wurde es ja durch was anderes, aber dieser Frust, der seit Jahren auf der wirtschaftlichen Situation liegt, wird gerade von sehr vielen, sehr jungen Leuten zum Beispiel getragen, was ich auch super spannend als Bewegung, als Uprising Movement beobachte. und ich glaube, dass wir da auch nochmal ganz viele Schlüsse ziehen können, je weiter wir das beobachten und schauen, wie sich das entwickelt. Das ist auch etwas, was mich zum Beispiel positiv stimmt, zu sehen, dass es das gibt, dass es dieses Kollektive und das Echte gibt. und es gibt ja auch dieses Zitat The revolution will not be televised, also es passiert nicht auf Social Media, sondern es wird auf der Straße passieren. Das sehen wir jetzt gerade da zum Beispiel. Das finde ich super interessant, ja, das finde ich auch total spannend.
Dr. Stefanie Graefe:Das würde uns jetzt natürlich noch zu einem neuen großen Thema fassen, was wir jetzt wahrscheinlich nicht mehr aufmachen. Aber eben die, das wäre eben auch eine Überlegung, dass es auch sein könnte, also diese sagen wir mal tendenzielle Zurückweisung des Leistungs-Arbeitsethos auch damit zu tun hat, dass es eine Wahrnehmung natürlich gibt, die auch überhaupt nicht falsch ist, dass es noch sehr viel größere Probleme gibt und dass diese Bedrohung sozusagen durch Rechtspopulismus, Rechtsextremismus oder eben die Bedrohung der Demokratie gerade von jüngeren Menschen eben auch nochmal als irgendwie ein Stück bedeutsamer wahrgenommen wird, Oder eben das ist ja letztlich auch so eine Hintergrundbedingung. Also, wenn es an der Stelle wirklich kracht, dann beeinflusst das natürlich unsere aller Arbeits und Lebensbedingungen auf eine Weise, die wir uns gar nicht vorstellen können. Das sieht man ja jetzt an den USA auch, wie schnell das gehen kann unter Umständen, Und dass dann eben so eine sagen wir mal Politisierung oder so eher auch auf dem Feld erfolgt als jetzt in so einer klassischen gewerkschaftlichen Arbeit, Wobei es das natürlich auch nach wie vor gibt.
Dr. Stefanie Graefe:Und wir haben ja auch gewerkschaftliche Kämpfe und Auseinanders in dem Feld in den letzten Jahren, die wirklich auch spannend waren, wie zum Beispiel die Krankenhausbewegung in Berlin und Nordrhein-Westfalen, wo ja tatsächlich gestritten wurde und auch gestreikt wurde, gar nicht primär um Lohnerhöhung, sondern eben um eine bessere Person Auseinandersetzung übersetzt wurde und eben nicht individuell ausgehandelt wurde. Das fand ich jetzt zum Beispiel sehr, sehr ermutigend und auch wirklich wegweisend, Also diesen Rangang auch, der jetzt auch so ein bisschen anders ist als so die klassischen gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen, die trotzdem wichtig sind.
Mary-Jane Bolten:Super, super spannend. Also wir werden sehen. Quasi no-transcript stellen an ihre Belegschaft. Wir haben gesprochen über Zeitdruck, über Vertrauen, über Autonomie, emotionsmanagement, intersubjektivität, selbstresponsibilisierung, re-responsibilisierung, und ich glaube, wir enden mit nochmal das dritte Mal mit dem Zitat aus deinem Buch wenn Resilienz die Antwort ist, dann was ist eigentlich die Frage? Das ist, glaube ich, immer das, was wir uns fragen müssen, weil der Begriff so dehnbar ist, und deswegen machen wir die Podcasts, damit der Begriff ein bisschen mehr greifbar wird. Ich weiß nicht, ob er dadurch greifbarer wird oder ob man einfach nur weiß, in ganz viele Richtungen kann er gehen, aber zumindest haben wir die Richtung mal alle ausgemappt, und ich hoffe, dass das hilft. Vielen, vielen lieben Dank, dass du da warst und deine Zeit und deine Gedanken mit uns geteilt hast. Deine Bücher verlinken wir selbstverständlich in den Shownotes, und wir werden weiterhin verfolgen, quasi was von dir kommt. Vielen lieben Dank.
Dr. Stefanie Graefe:Ja, vielen Dank, dass ich hier sein durfte. Es hat total Spaß gemacht, mit euch zu sprechen, und ich nehme ganz viele Anregungen mit, habe mir auch ganz viele Stichworte hier gemacht und habe jetzt auch wieder Lust hatte ja mich jetzt eine Weile auch nicht so sehr mit dem Thema beschäftigt mich da wieder so ein bisschen einzutauchen. Also ganz herzlichen Dank dafür, Danke dir.
Patrick Breitenbach:Ich weiß nicht, warum. Money money I want more money Vertraue und glaube es hilft. Es heilt die göttliche.
Dr. Stefanie Graefe:Kraft.